Expo 2015 Milano

 

Kommentar

„Feeding the Cashbox“

 

 

Bei der Weltausstellung Expo 2015 in Mailand, hat man sich sehr ehrgeizige Ziele gesetzt. „Feeding the Planet“, („den Planeten ernähren“) heißt unter anderem das große Motto. Insgesamt 145 Nationen zeigen in ihren Pavillons, was sie darunter verstehen.

Dabei gehört zur Tradition, dass daneben auch Konzerne dabei sind. Doch so dreist, wie sich der Brauseweltmeister, der Coca Cola-Konzern, hier präsentiert, sprengt alle Vorstellungen der herkömmlichen Marketing-Lehren. Dass die Amerikaner in Sachen Marketing noch nie zimperlich waren, ist bekannt. So schmuggelte man früher bei Filmvorführungen schon mal Millisekunden lange Sequenzen einer Cola-Flasche in die Filme und konnte sich danach über den reißenden Absatz freuen. Die größte und gleichzeitig preiswerteste Markt-Forschung, wenn auch inoffiziell, zieht man allerdings gnadenlos auf der EXPO in Mailand durch. Was kümmert den Brausebrauern eine ordnungsgemäße, empirisch korrekte MAFO mit brav angewandten Instrumente, Analysen, Objektivität, Validität und Co., wenn man es doch ganz unkonventionell und praktisch vor Ort haben kann?

Wer diesen rot-weißen Pavillon besucht, den erwartet zur Begrüßung einen Schlüsselanhänger und eine Flasche der bekannten Limonade und zwar wie zufällig, genau in der gewünschten „Geschmacksrichtung.“ Der unscheinbare, natürlich rote Schlüsselanhänger hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich, weil man sich mit seinem Namen und den Herkunftsort „personalisieren“ muss, was die ahnungslosen Besucher gerne machen. Einzig und alleine der Chip im Schlüsselanhänger ist wichtig. Der weitere Verlauf im Pavillon ist unerheblich. Es wird ein Spiel mit überflüssigen Fragen gestellt. Als Belohnung, darf man freilich noch einmal seine Wunschbrause an einem Geränkeautomaten, dieses Mal aber aus ca. 50 unterschiedlichen zum Teil völlig neuen Geschmacksrichtungen auswählen. Neben den bekannten Marken sind auch utopisch anmutende Richtungen, wie Himbeer-Cola, oder was auch immer-Fanta, mit oder ohne Kalorien, gesund und vegan, natürlich oder künstlich gesüsst, ganz wie es der Kunde wünscht. Was dann aber wirklich aus dem Automaten herauskommt, hat mit dem gewünschten Geschmack nicht viel tun, es schmeckt nur süß, weil man gleich mehrere Geschmacksrichtungen wählen soll. So fällt der Trick nicht so auf. Denn was die Tester schlussendlich trinken oder weil ungenießbar, wegwerfen, ist unerheblich. Alleine die Wahl auf den Knöpfen des Automaten interessiert den Hersteller aus Atlanta. Denn so hat man die Wünsche der Kunden, dank Chip, sorgfältig aufgeteilt in Männlein, Weiblein, Land und Alter. Wenn daraus eine neue Erfolgsbrühe entsteht, lohnt sich diese Investition allemal, so das Kalkül.

Wenn bei den erwarteten 20 Millionen Besuchern nur jeder Zweite an dieser „MAFO“ teilnimmt, und das ist zu erwarten, hat Coca Cola exakte Angaben, wieviel Menschen aus welchen Ländern, den jeweiligen Geschmack vorziehen. Eine so große exakte und aussagekräftige Marktforschung mit so wenig Aufwand erreicht man nämlich mit herkömmlichen Mitteln nie. Darf man eine so schamlose Befragung ausgerechnet auf einer Weltausstellung mit so einem überlebenswichtigen Thema veranstalten?

Man darf, rechtfertigt sich Coca Cola. Schliesslich hat sich Coca-Cola diesen Auftritt in Mailand aussergewöhnlich teuer erkauft. Denn erst auf Nachfrage erfährt man den ach so sozialen Hintergrund: Ohne den Multis als Sponsoren, wie Nestle, Coca-Cola, Mc Donalds und andere könnten sich ärmere Länder auf der EXPO 2015 nicht auf sich und ihre Probleme aufmerksam machen. Das beginnt bei der Ernährung und hört beim Umweltschutz auf. Dass da ausgerechnet die Konzerne das mit verursacht haben, weiß man auch bei der EXPO-Verwaltung und meint augenzwinkernd, das soll es wert sein. So funktioniert eben die Welt von heute. Vielleicht ein guter Ansatz.

 

Text: Bernhard Veith, Fotos Pascal Schöpflin; Text und Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck ist erwünscht aber nur nach ausdrücklicher Genehmigung des Autoren. dies gilt auch bei den Bildrechten.