Elektrisch und Klasse
Mercedes Benz EQV 300 lang
Bernhard Veith Pascal Schöpflin
Die Grossraumlimousine der V-Klasse hatten wir bereits schon in einer früheren Ausgabe besprochen. Nun wollten wir uns die elektrische Version, den EQV genauer ansehen. Auf diesem Segment gibt es momentan nur sehr wenig Mitbewerber. Entweder sind sie noch sehr klein, haben eine geringe Reichweite haben, oder nur in Hybrid-Ausführung zu haben. Keiner dieser Fahrzeuge war jedoch so ausgereift und so stark wie der EQV.
Nachdem die V-Klasse bei unserem Bericht so gut abgeschnitten hat, ging es darum ob der elektrische Bruder ähnlich erfolgreich sein kann. Insbesondere auch im täglichen Einsatz als Kleinbus der Kinder, Betagte oder Kranke befördern kann, oder ob die elektrische Kapazität hier Grenzen setzen würde. Schliesslich hört und liest man oft genug im Internet, dass diese Technologie allenfalls stark begrenzt in Kleinwagen möglich seim. Ein Vorurteil, welches Mercedes bereits beim EQC aufgeräumt hat. Aber gilt das auch für eine Grossraumlimousine?
Mercedes Benz Nutzfahrzeuge hat uns den
Mercedes Benz EQV 300 (lang)
Avangarde Line
zur Verfügung gestellt.
Der EQV wurde in einer leuchtend roten Lackierung geliefert, was insofern außergewöhnlich ist, weil man die V-Klasse und auch jetzt den EQV hauptsächlich in einem luxuriösen schwarz auf Flughäfen, Messen oder zu anderen großen Veranstaltungen zu sehen sind. Natürlich kommt er auch als Großraum-Taxi in Frage. Das passt zu ihm. Taxigesellschaften berechnen pro Arbeitsschicht eine Reichweite von ca. 400 Kilometer. Das bedeutet aber im wesentlichen Stadtverkehr.
Auf unseren Wunsch hin bekamen wir aber ein Fahrzeug mit roter Lackierung, um noch bessere Bilder machen zu können. Außerdem ging es uns um ein Transportmittel für Menschen, die selbst nicht mehr oder noch nicht fahren können, um Kinder, Kranke oder ältere Menschen zu befördern gemeinhin mit dem wenig schmeichelhaften Begriff „Behindertentaxi“ beschrieben. Schlussendlich muss aber genau diese Verwendung offenbleiben, weil wir aus verschiedenen ( u.a. versicherungsrechtlichen) Gründen keine praktischen Versuchsfahrten mit „Fahrgästen“ machen durften. Auch unsere Befragungen bei Sonderschulen, Tagesstätten, Alten/Pflegeheime nach dem Bedarf eines Elektrofahrzeuges waren nicht erfolgreich. Man habe in Zeiten der Pandemie aus Personalgründen kein Zeitfenster sich darum zu kümmern. So fährt man lieber mit einem 20 Jahren alten verbeulten Bus weiter, als Phantasie für den Umweltschutz zu entwickeln. Wir jedoch entwickelten genug Phantasie um den Ernstfall nachzuspielen.
Serienmäßig gibt es ihn in EQV 300 Lang (5,14 Meter) und Extralang (5,37 Meter)
Unser Mercedes EQV 300 lang war mit 6 Sitzen, und einer Leistung von 218 PS ausgestattet. Und hier merkt man einen gravierenden Unterschied zu den Verbrenner-Modellen der V-Klasse im Allgemeinen. In der konventionellen V-Klasse gibt es 8 unterschiedliche Varianten bzw. Motoren. Der EQV wird hingegen nur mit einer Motorkomposition angeboten, wohl aber verschiedene Ausstattungen, Längen und auch unterschiedlich große Batterien und damit auch unterschiedliche Reichweiten, denn die „kleine Batterie hat ein Fassungsvermögen 60 KW und eine Reichweite von knapp 230 Kilometer, die große Batterie schafft dann 90 KW und eine Reichweite von 417 Kilometer laut Werksangaben. In der Realität ist das Fassungsvermögen je nach Jahreszeit und Witterung geringer.
Mit vier verschiedenen Fahrmodi und fünf wählbaren Rekuperationsstufen bei denen man zum Teil ordentlich an Energie zurückgewinnen kann, kann man die reele Reichweite doch schon beeinflussen. Wir schafften den mit 6 Personen „vollbepackten“ EQV 300 und einer permanenten Geschwindigkeit von 130 km/h bei Außentemperaturen um die 7 Grad immerhin eine Autobahnfahrt von über 240 Kilometern. Hier spielt aber auch die geografische Lage eine Rolle. Außer den Rollgeräuschen war auch bei Höchstgeschwindigkeit nichts zu hören, ja, der Fahrer konnte sich sogar mühelos mit den Fahrgästen in den hinteren Reihen unterhalten.
Diese ruhige Fahrt ist dann schon ein Erlebnis. Die Höchstgeschwindigkeit ist offiziell 140 km/h, wir erreichten aber auch schon 160 km/h, was für ein Fahrzeug dieser Größe und dieses Gewichts dann doch bemerkenswert ist. Allerdings: Mit dem Verbrenner-Bruder erreichten wir 230 km/h, was doch sehr üppig bemessen war. Auch wenn sich beide Fahrzeuge äußerlich ähneln, basiert der EQV auf der neuen Plattform für Elektrofahrzeuge von Mercedes.
Damit endet im Wesentlichen der Unterschied zwischen der V-Klasse und des EQV, wenn man mal vom Kühlergrill absieht.
Armaturen und Bedienungskomfort
Doch nicht nur das Fahren und auch die Bedienung der Assistenten ist absolute Upperclass.
Die Armaturen, und auch das Interieur sind im „Mercedes Style“, die Assistenzsysteme, allen voran das MBUX Multimediasystem mit Display-Diagonale 26 cm ebenfalls. Somit entspricht der EQV eher einer hochwertigen Oberklasse-Limousine als ein Van der früheren Generationen. Und da hat Mercedes eine Marktlücke gestopft. Eine Auflistung aller Assistenzsysteme finden sie am Ende des Berichts.
Einstieg
Die Einstiege sind sehr geräumig und dürften den wenigsten Fahrern und Beifahrern, wenn sie nicht gehandicapt sind, Probleme bereiten. Die Sitze sind stufenlos verstellbar, und sehr hochwertig ausgeführt, wie eben auch bei seinem Zwillingsbruder V 300. Ein bequemeres Sitzen haben wir bislang in keinem Fahrzeug feststellen können. Die Uebersicht ist phänomenal. Selbst der Beifahrer hat sehr guten Zugriff auf die Bedienelemente des Multimedia-Displays, falls der Fahrer es wünscht. Alle Sitze haben Armlehnen. Trotzdem ist es möglich, während der Fahrt vom vorderen Sitz nach hinten zu wechseln, was allerdings nur in begründeten Fällen empfehlenswert ist. Schön anzusehen ist die mehrfarbige Beleuchtung.
Luxuriös hingegen geht es im Fond weiter. Die weichen lederbezogenen Einzel-Sessel haben ein sehr hohes Niveau vorzuweisen und Armlehnen geben allen Insassen die Sicherheit die sie bei anderen Kleinbussen vermissen. Für Nachtfahrten gibt die vierfarbige Ambientebeleuchtung ein heimeliges Gefühl. Alles in allem fühlen sich die Insassen dieses Gefährtes als Fahrgast erster Klasse, wie man sie in den gehobenen Qualitätsklassen der Flugzeuge oder Hochgeschwindigkeitszüge her kennt.
Fahren mit Fahrhilfen
Für Rollstuhlfahrer ist auch beim EQV der konventionelle Einstieg aufgrund der Höhe doch sehr beschwerlich, wenn nicht gar unmöglich. Der gehbehinderte Beifahrer findet sich nach einigen Versuchen gut zurecht. Für Rollstuhlfahrer bieten Umbauer auch Versionen mit einer seitlichen Rampe an. Diese speziellen Berichte sind für den Sommer 2023 vorgesehen. Ob es eine spezielle Marco Polo- Version geben wird, die auch für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen gedacht ist, war noch nicht zu erfahren.
Fazit
Mit dem Mercedes-Benz EQV 300 wird eine vollelektrische Großraum Limousine, die dem Luxus der V-Klasse entspricht. Die Reichweite ist mit 417 km gut bemessen, in der täglichen Praxis jedoch mit etwa über 300 Kilometer eher befriedigend. Der Grundpreis ohne Mehrwertsteuer beträgt 60.000 Euro. Happig wird es aber, wenn man die Testwagenausstattung zugrunde legt (siehe Zubehörliste). Da legt man schon seine 100.000 Euro auf den Tresen. Aber auch das ist für eine Großraum Limousine der absoluten Oberklasse noch angemessen, wenn er wie oben beschrieben eingesetzt wird. Welche Zuschüsse man bei diesem Fahrzeug erhalten kann, darüber informiert der Händler.
Technische Daten:
Motorart Elektro
Leistung maximal in PS (Systemleistung) 204
Drehmoment (Systemleistung) 362 Nm
Antriebsart Front
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
Reichweite WLTP (elektrisch) 356 - 417km
Verbrauch kombiniert (WLTP) 28,1 kWh/100 km
Batteriekapazität (Brutto) in kWh 100,0
Batteriekapazität (Netto) in kWh 90,0
Ladeleistung (kW) AC:11,0 DC:110,0
Kofferraumvolumen normal 1.030 l
Kofferraumvolumen
dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank 4.630 l
Länge x Breite x Höhe 5.140 m x1.928 mm x 1.901 mm