"Das große Comeback"

von Bernhard Veith (Text) und Pascal Schöpflin (Fotos)

 


Wehmütig blickte im Januar 2017 der deutsche Verkaufsleiter der Talgo Deutschand GmbH auf die Zeit zurück, als es noch "Deutsche Talgo-Züge" gab. "Dahin wollen wir wieder zurück," meinte er.

Die ersten Talgozüge der DB wurden in den 1990er Jahren für den Nachtzugverkehr eingesetzt und brachte einen für die DB ungeahnten Komfort auf deutsche Schienen (Bild links: Patentes Talgo).  Doch die Zeiten schienen vorbei. Die DB gab den Nachtverkehr auf.

  Normalerweise würde sich dann ein ausländischer Hersteller aus dem Land zurückziehen. Nicht so Talgo. Man spezialisierte sich auf Instandhaltung und Ausbesserung u.a. vorhandener IC-Zugsverbände und machte sich durch Zuverlässigkeit bei der DB einen Namen, während andere Hersteller neue Aufträge bekamen und immer wieder verspätet und fehlerhaft lieferten. Auf diesem Wege war Talgo bei der DB sehr  geschätzt. Dass die DB jemals wieder Züge beschaffen würde, war 2017 kaum realistischer, als die RZD eine Nachtzugverbindung von Moskau nach Berlin mit einem kompletten Talgo-Zugset auf die Schiene stellte und die Fahrtdauer dank Talgo massiv verkürzte (siehe hier). Immerhin bot der Trenhotel-Zug in Spanien die Qualität eines 3 Sterne-Hotels, das Restaurant ist legendär.

  Der deutsche Talgovertreter überzeugte uns freilich auch mit Argumenten. Welche diese waren,  haben wir in einer Einschätzung  aufgeschrieben, die wir 2017 für ein Institut schrieben und hier gekürzt wieder geben. :


"Die DB bereitet eine Ausschreibung neuer lokbespannten EC Züge vor, die EU empfiehlt einem einheitlichen Zugsverkehr im Passagier-Verkehr, wobei es laut einem Gespräch mit dem amtierenden EU Kommissar Cramer (Grüne) keine Vergabe mit nationalen Interesse mehr geben sollte. Ob dies auch wirklich der Fall sein wird, mag bezweifelt werden, denn jedes "Bahnland" wird wohl seine Industrie fördern. Das ist legitim. Und da ist Talgo in Deutschland zwar präsent, aber nicht gerade führend. Was auch immer in naher Zukunft beschlossen oder beauftragt werden wird.



Wenn es nur nach Qualität und ökonomische Parameter gehen soll, hätte Talgo reele Chancen, denn nüchtern betrachtet, müssten leichte, Energie sparende Züge, die mit 760mm über der Schienenkante gleich hoch wie deutsche Fernbahnsteige und damit barrierefrei sowie auch niederflurig wären, im Trend liegen. Die Los-Rad-Technik, verbunden mit der einzigartigen "natürlichen" Neigetechnik, in dem man die Fliehkräfte nutzt,  (Bild: oben Pascal Schöpflin, unten Patentes Talgo) ist ausgereift und bietet einen Fahrkomfort, der mit den konventionellen 26,4 Meter-Wagen vergleichbar ist. Die Züge können auch in hohen Geschwindigkeiten mit einem Steuerwagen wirtschaftlicher als herkömliche Züge betrieben werden. Die Masse von druckdichten, 230 km/h schnellen Talgo-Wagen beträgt auf der Länge eines RIC-Wagens umgerechnet  nur 2/3 der Masse vergleichbarer Fahrzeuge. Das ist auch der Grund dafür, weshalb in Spanien auch höchste Geschwindigkeit wirtschaftlich betrieben  werden können.

Wenn also bis 2023  oder später in  Europa der Schienenverkehr geöffnet werden soll, werden tatsächlich  neue einheitliche Züge benötigt, die auch international eingesetzt werden müssten. Da wäre Talgo neben Stadler (Flirt), Siemens (RailJet) und Alstom (mit dem ETR 675 aus dem ehemaligen FIAT-Werk)   sicher ein ernstzunehmendes Mitglied im Pulk der Mitbieter. Denn derzeit gibt es in Europa kaum einen in sich gekuppelten Wagenzug, der nicht nur so bewährt, innovativ und wirtschaftlich einsetzbar ist, sondern auch hinsichtlich der unterschiedlichen Spurweiten, von Finnland bis Spanien ganz praktisch grenzenlos einsetzbar ist. Man darf gespannt sein.   Nach unseren Informationen will die DB einen 5-7 teiligen Zug bestellen, der mit einer Lokomotive und einem Steuerwagen ausgestattet ist. Auch soll ein Bistro wieder die beiden Klassen teilen.


Das alles kann Talgo seit Jahren aufbieten (Bild Protoyp einer Talgo-Lok für 250 km/h; Foto: Pascal Schöpflin) und ist in Osteuropa bereits gut aufgestellt. Allerdings dürfte, wenn man sich an ihre eigene Technologien orientieren darf, der Zug 17 teilig werden, denn die Talgo-Wagen sind wesentlich kleiner.  Wenn die Züge kleiner und leichter sind, können die Lokomotiven entsprechend effizienter eingesetzt werden. 

Talgo hat sogar eine eigene Lokomotive im Angebot, denn die Triebköpfe der Züge werden mittlerweile, nach anfänglicher Zusammenarbeit mit Bombardier selbst gefertigt. Nach Aussage des Verkaufschef wäre hier eine Zusammenarbeit, mit anderen Herstellern kein Problem.  Der Talgo-Zug wird  für den Bahnverkehr gut sein, wenn er von Talgo selbst gewartet wird.  Denn nur der Hersteller selbst weiß worauf es bei  Verbesserungen, Veränderungen und Reparaturen  ankommt.  Die ICE-Züge aus Deutschland, schweizer Stadler- Flirt-Züge, die Regionalzüge von Skoda und Pesa, und die EC- Züge von Talgo,  warum nicht? Dieser internationale Gedanke stärkt die europäische Wirtschaftskraft und deren Zusammenhang nachhaltig, die durch asiatische, insbesonder chinesische Produktionen immer mehr ins Hintertreffen geraten würde. Auch vor einem anderen Hintergrund:  Wenn 2020 der Schienenverkehr europaweit geöffnet wird, werden private Billiganbieter auch auf asiatische (vorwiegend chinesische Produkte zurückgreifen). Eine starke europäische Eisenbahnindustrie kann da mit einem vielseitigem Angebot leichter Paroli bieten. 

Die DB will auch in Spanien, und andere Ländern Züge fahren lassen. Die Forderung dass sich die DB   aus dem internationalen Arriva-Engagement zurückziehen soll und erstmal im eigenen Land einen funktionierenden Verkehr aufbauen soll ist naiv und zu kurz gedacht. Denn es ist eine Frage der Zeit, wenn in Deutschland private Züge und Züge anderer Verwaltungen fahren werden.

Der nationale Rückzug würde dann wirtschaftlich fatale Folgen haben. Der EC-Zug von Talgo soll zuerst Berlin mit Amsterdam   verbinden, und nur sehr vereinzelnd in Deutschand  verkehren (Hamburg-Obersdorf, Westerland - Köln, (Bild: DB)). Das hört sich nicht nach einem schlüssigen Konzept an. Aber die DB  als Arriva  bereits in  UK und in Wales sehr erfolgreich, will auch in Spanien und Portugal einen 230 km/h schnellen Verkehr aufbauen. Fest gebucht soll die Strecke  in Nordwest-Spanien Porto-Vigo-La Coruna sein. Dann könnten Talgo-Züge einen weiteren Sinn machen, denn auch dafür braucht man Züge. Und dass Talgo-Züge pünktlich und nahezu fehlerlos geliefert werden , ist bekannt und weltweit geschätzt.....














 






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